Die Entwicklung von Apps für iOS und Android ist Standard. Doch wie erreicht man beide Plattformen effizient, ohne Kompromisse bei Qualität oder Geschwindigkeit? Cross-Platform-Frameworks versprechen Abhilfe. Zwei der prominentesten Akteure sind Flutter und Kotlin Multiplatform (KMP).
Beide Technologien ermöglichen die Entwicklung für mehrere Plattformen aus einer einzigen Codebasis, verfolgen dabei aber grundlegend unterschiedliche Ansätze. Die Wahl des richtigen Frameworks ist entscheidend für den Erfolg Ihres Projekts, die Wartbarkeit Ihrer Anwendung und die Zufriedenheit Ihres Entwicklungsteams.
Nachfolgend bieten wir Ihnen einen fundierten Vergleich zwischen Flutter und KMP. Wir beleuchten die Kernkonzepte, Stärken und potenziellen Herausforderungen beider Ansätze, um Ihnen eine klare Entscheidungsgrundlage für Ihr nächstes Projekt zu geben.
Flutter, entwickelt von Google, ist ein komplettes UI-Softwareentwicklungskit (SDK). Es verwendet die Programmiersprache Dart und verfolgt einen anderen Ansatz als KMP: Flutter zeichnet die Benutzeroberfläche mithilfe seiner eigenen Rendering-Engine (Skia) direkt auf einen Canvas.
Das bedeutet, dass Flutter-Apps auf allen Plattformen nahezu identisch aussehen und sich anfühlen, da sie nicht auf native UI-Komponenten zurückgreifen. Flutter liefert ein reichhaltiges Set an vorgefertigten Widgets (UI-Elementen), die Googles Material Design oder Apples Cupertino-Stil nachahmen oder komplett eigene Designs ermöglichen.
Mit Flutter schreiben Sie also sowohl die Geschäftslogik als auch die UI in Dart und teilen (fast) den gesamten Code zwischen den Plattformen.
Kotlin Multiplatform, entwickelt von JetBrains (den Machern von Kotlin und IntelliJ IDEA), ist kein klassisches "Framework", sondern ein Technologie-Ansatz. Das Kernprinzip von KMP ist es, gemeinsame Geschäftslogik, Datenverarbeitung und Kernfunktionen in reinem Kotlin zu schreiben und diesen Code dann für verschiedene Plattformen (iOS, Android, Web, Desktop, Server) zu kompilieren.
Der Clou: Standardmäßig überlässt KMP die Benutzeroberfläche (UI) den nativen Plattformen (SwiftUI/UIKit für iOS, Jetpack Compose/XML für Android). Das Ergebnis ist eine App, die sich perfekt in das jeweilige Ökosystem einfügt und die volle native Performance und das gewohnte Look & Feel bietet.
Optional: Geteilte UI mit Compose Multiplatform: Für Projekte, die auch eine gemeinsame UI-Schicht anstreben, bietet das KMP-Ökosystem Compose Multiplatform. Damit lässt sich die UI ebenfalls in Kotlin schreiben und auf Android, iOS (aktuell Beta), Desktop und Web teilen, basierend auf Googles modernem deklarativen UI-Toolkit Jetpack Compose. KMP gibt Ihnen also die Wahl, wie viel Code Sie teilen möchten – von nur der Logik bis hin zur vollständigen UI.
Flutter: Nutzt Dart, eine von Google entwickelte Sprache. Sie ist relativ einfach zu lernen, erfordert aber für die meisten Teams eine Einarbeitung, da sie außerhalb von Flutter weniger verbreitet ist.
KMP: Nutzt Kotlin, eine moderne, prägnante und sichere Sprache, die bei Android-Entwicklern bereits fest etabliert ist und auch serverseitig stark wächst. Profitieren Sie von Coroutinen für Asynchronität und exzellenter Interoperabilität mit Java.
Flutter: Nutzt eine eigene Rendering-Engine. Ergebnis: Hohe UI-Konsistenz über Plattformen hinweg, potenziell schnellere Entwicklung von stark gebrandeten UIs. Kann aber bei unachtsamer Implementierung zu einem nicht-nativen Gefühl führen oder erfordert Mehraufwand, um plattformspezifische Konventionen exakt nachzubilden.
KMP: Setzt auf native UI. Ergebnis: Perfekte Plattformintegration, gewohntes Nutzerverhalten, direkter Zugriff auf neueste OS-Features. Ideal, wenn das native Erlebnis Priorität hat.
KMP mit Compose Multiplatform: Bietet gemeinsame UI in Kotlin. Nutzt moderne deklarative Prinzipien, ähnlich wie Jetpack Compose auf Android und SwiftUI. Eine starke Option für Teams, die Kotlin bevorzugen und eine gemeinsame UI wünschen (iOS-Support aktuell in Beta, aber rasch fortschreitend).
Flutter: Bietet dank der Skia-Engine eine gute Performance. Die direkte UI-Zeichnung kann sehr schnell sein. Der Dart-Code wird zu nativem Code kompiliert.
KMP: Da die Logik zu nativem Code (z.B. JVM-Bytecode für Android, nativer Binärcode für iOS) kompiliert wird und die UI (standardmäßig) nativ ist, bietet KMP höchste Performance, genau wie rein native Apps. Keine zusätzliche Abstraktionsschicht für die Logik.
Flutter: Nutzt Platform Channels für die Kommunikation mit nativem Code. Dies funktioniert gut, kann aber zusätzlichen Boilerplate-Code und eine klar definierte Schnittstelle erfordern, was die Integration im Vergleich zu KMP als potenziell aufwändiger erscheinen lässt.
KMP: Nahtlose Interoperabilität. Der gemeinsame Kotlin-Code kann problemlos native APIs (iOS/Android) aufrufen und umgekehrt. Dies ist eine Kernstärke von KMP, ideal für Apps, die tief in die Plattform integriert sein müssen (z.B. Nutzung spezifischer Sensoren, Hintergrundprozesse, OS-Dienste).
Flutter: Umfassendes Sharing. Der Ansatz zielt darauf ab, möglichst den gesamten Code (Logik & UI) in Dart zu teilen. Weniger granular als KMP, aber potenziell einfacher für Projekte, bei denen maximale Code-Wiederverwendung von Anfang an das Ziel ist.
KMP: Hochflexibel. Sie entscheiden, was Sie teilen: Nur die reine Logik? Logik + Netzwerk/Datenbank? Oder mit Compose Multiplatform auch die UI? Perfekt für die schrittweise Migration oder Projekte mit spezifischen Anforderungen.
Flutter: Erfordert das Erlernen von Dart und des Flutter-Frameworks für das gesamte Team. Kann ein Neustart für alle sein, was Vor- und Nachteile hat.
KMP: Idealer Einstieg für Android-Teams, da Kotlin bereits bekannt ist. iOS-Entwickler können weiterhin ihre bevorzugten Tools und Sprachen (Swift/Objective-C) für die UI nutzen und den gemeinsamen Kotlin-Code einbinden. Die Lernkurve konzentriert sich auf die KMP-spezifischen Konzepte (expect/actual etc.).
Flutter: Verfügt über ein eigenes, sehr umfangreiches Ökosystem an Widgets und Paketen (pub.dev). Hat eine große, aktive Community und ist als UI-Framework sehr etabliert.
KMP: Basiert auf dem reifen und riesigen Kotlin-Ökosystem (Bibliotheken für JVM, Android, Native). Die KMP-spezifischen Bibliotheken wachsen rasant. Stark unterstützt von JetBrains und Google. Compose Multiplatform für iOS ist neuer (aktuell Beta Status), entwickelt sich aber schnell. Zudem sind alle plattformspezifischen nativen Bibliotheken weiterhin problemlos nutzbar.
Flutter könnte eine gute Option sein, wenn:
- Eine pixelgenaue UI-Konsistenz über alle Plattformen hinweg das Hauptziel ist und das native Look & Feel weniger kritisch ist.
- Eine sehr schnelle Entwicklung von Prototypen oder stark markenorientierten UIs benötigt wird.
- Das Team bereit ist, Dart und das Flutter-Ökosystem neu zu erlernen.
- Die App weniger auf tiefe, spezifische native Integrationen angewiesen ist.
KMP ist oft die bessere Wahl, wenn:
- Sie bereits Kotlin-Expertise im Team haben (insbesondere Android-Entwickler).
- Ein natives Look & Feel und perfekte Plattformintegration oberste Priorität haben.
- Sie komplexe Geschäftslogik teilen möchten, aber die UI nativ oder plattformspezifisch gestalten wollen.
- Eine tiefe Integration mit nativen APIs und OS-Funktionen entscheidend ist.
- Sie die Flexibilität schätzen, schrittweise mehr Code zu teilen oder nur bestimmte Module als KMP zu implementieren.
- Sie eine moderne, deklarative UI in Kotlin schreiben möchten (mit Compose Multiplatform) und von dessen wachsendem Ökosystem profitieren wollen.
- Sie eine langfristig flexible und zukunftssichere Architektur anstreben, die eng an den nativen Plattformen bleibt.
Obwohl beide Technologien beeindruckende Ergebnisse liefern, schätzen wir bei appvanced besonders die Flexibilität und den nativen Ansatz von Kotlin Multiplatform. Die Möglichkeit, Kernlogik zu teilen und gleichzeitig eine erstklassige native User Experience zu gewährleisten, ist ein unschätzbarer Vorteil. KMP erlaubt es, das Beste aus beiden Welten zu vereinen.
Mit Compose Multiplatform schließt KMP zudem die Lücke für Teams, die auch eine gemeinsame UI-Schicht in Kotlin bevorzugen, und bietet eine moderne, leistungsstarke Alternative zu Flutter – direkt in der vertrauten Kotlin-Welt. Die nahtlose Integration mit bestehendem nativen Code und die Nutzung des etablierten Kotlin-Ökosystems machen KMP zu einer strategisch sinnvollen und zukunftssicheren Wahl für viele anspruchsvolle App-Projekte.